Sonntag, 9. März 2008

Das Hymen des Fußballs bleibt unverletzt

Ja, bei der nächsten spielentscheidenden Fehlentscheidung gegen die Blauen werde ich mich natürlich ärgern. Und sicherlich gibt es viele Argumente für einen Chip-Ball oder eine Linienüberwachung: Alleine das Geoff Hursts Nicht-Tor mit dieser Technik als solches erkannt worden wäre, lässt meine linke Gehirnhälfte einen Nick-Reiz auslösen. Aber Trotzdem: Wenn ich in mich hineinfühle bin ich froh, dass das International Football Asscociation Board die Einführung technischer Neuerungen abgelehnt hat.

Ja, der Fußball ist modern geworden, und erfolgreich ist er auch. Um bei Schalke 04 an Karten zu kommen muss man eine Dauerkarte erben oder zumindest Mitglied sein. Um sein Bier zu bezahlen bedarf es einer Chipkarte. Sowohl das Vereinslied als auch das Steigerlied braucht man nicht mehr zu singen, das bloße hochhalten des Schals reicht, denn bei der Lautstärke der Musikeinspielung hört den Gesang eh nur der Nachbar. In der Halbzeit dreht ein mit Werbung beschrifteter Blimp seine Kreise und jeder Freistoß, jede Ecke wird von einer Partnerfirma am Videowürfel präsentiert.

Fans stricken Schals nicht mehr selbst sondern kaufen sich die immer 150 x 17 cm großen Wegwerfprodukte, von denen es zu jedem vermeintlich wichtigem Spiel neue Versionen gibt. Die Arenen sind entweder beheizt oder voll genug, dass es keine Parka mehr braucht um einen warmen Rücken zu haben, also spannt sich ein teuer gekauftes Trikot über die Bierplauze; mit dem eigenen Namen versehen, denn schließlich tragen die Spieler unser Trikot ... In jedem Stadion gibt es eine Gruppe Jugendliche, deren Ziel es ist 90 Minuten durchzusingen, die Plakate malen und hübsche Choreographien entwerfen; die sich interessanter Weise als Kämpfer gegen den modernen Fußball verstehen und die doch eigentlich genau diesem dienen, in dem sie den Logenbesuchern die Beschallung und den Fernsehkameras die Bilder liefern.

Der Blick aufs Feld bietet eine Flucht aus der ganzen modernen Scheiße.

Die auffälligste Änderung der letzten 50 Jahre ist die Schienbeinschonerpflicht, die zur Folge hatte, dass kein Spieler mehr mit herunterbammelnden Stützen über den Platz schlufft.

Ist es nicht großartig, dass die Tore noch so groß sind wie eh und je?
Ist nicht jedem klar, dass eine Abschaffung oder gravierende Änderung an der Abseitsregel das Spiel grundlegend verändern – ich würde meinen: zerstören – würde, und dass wir froh sein können, dass sich die Reformer in dieser Frage nie durchsetzen konnten?
Im Prinzip ist es doch romantisch, dass ein gefoulter Spieler auf den Boden fallen muss um einen Freistoß zu bekommen, und dass es einen Strafstoß, wie vor 100 Jahren, nur bei einem Foul im 16er gibt, wo doch die gefährliche Zone heutzutage viel größer ist.

Alle tollen High-Tech-Schuhe haben in der Geschichte des Fußballs keine Spuren hinterlassen und ich finde es großartig, dass das Geschehen auf dem Rasen – bei allem Mist, der um den Platz herum bereits passiert – so erhalten bleibt, wie es seit fast 100 Jahren bestand hat. Ich finde es gut, dass das Spiel der Amateure drei Straßen von hier das gleiche Spiel ist, wie das des Champions League Finale in Moskau. Und ich finde es gut, dass das Finale der WM in Südafrika zumindest insofern mit dem Finale 1956 1954 in Bern vergleichbar ist, da es sich um das gleiche Spiel unter den gleichen Regeln handelt.

Fußball eben. Kein Tennis und kein Cyberball.

Kommentare & Antworten

Lucio
da Lucio findet imma den richtigen Zeitpunkt zum abspiela
ch (Gast) - 10. August, 21:47
Na also: noch ein...
...alter Bekannter ;)
berka - 1. August, 13:04
Alte Bekannte
Schön erklärt, danke. Noch ein paar bekannte Namen...
berka - 1. August, 09:12
Notlagen?
fällt mir jetzt erst auf: habt Ihr die im Stadion etwa...
berka - 30. Juli, 14:00
Ich weiss schon warum...
Ich weiss schon warum ich im Stadion keine Getränke...
Jan! (Gast) - 30. Juli, 13:01
siehste
deswegen wird's wahrscheinlich exportiert
berka - 30. Juli, 08:50
Wir warten gespannt
...auf den ersten, der Veltin's schreibt.
Trainer Baade (Gast) - 29. Juli, 23:27
@ Stefan: Ja, bei Miller’s...
@ Stefan: Ja, bei Miller’s würde ich auch nichts dazu...
Herr Wieland - 29. Juli, 17:12

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Der Spielmacher

Stets ein wunderbarer Quell der Wirrnis ist der Begriff des Spielmachers oder gar der Spielmacher-Position. Der Mann mit der legendären Nummer 10 war einst Halbstürmer und wurde später ins Mittelfeld zurückgezogen, wo er aber mehr wurde als ein zentraler Mittelfeldspieler. Dieser Spieler in der Mitte des Feldes, ob vorgeschoben oder zurückgezogen, sollte von seinen Mitspielern häufiger angespielt werden und dann genialisch das Angriffsspiel bedienen. Das wurde noch mit der Phantasie kurzgeschlossen, ein solchermaßen kreativer Mensch könne nicht auch noch schwer arbeiten, weshalb man ihm einen Helfer, den sogenannten Wasserträger, beistellen müsse. Einen solche Spielmacherposition gibt es heute nicht mehr, trotzdem ist die Suche nach dem Spielmacher nicht beendet. Im Zweifelsfall wird der Kopf einer Mannschaft, wie Zinedine Zidane beim französischen Weltmeister 1998, einfach zum Spielmacher erklärt.
Biermann/Fuchs

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