Samstag, 12. April 2008

Mirko Slomka

Es ist schon schräg. Da steht ein Trainer mit Schalke 04 auf Platz 2, kommt in der Champions League bis ins Viertelfinale, und wird doch aller Voraussicht nach am Ende der Saison entlassen werden. Ich bin ob dieser Aussicht hin und her gerissen.

Außenstehende, Nicht-Schalke-Fans, Leute, die die Spiele des FC Schalke 04 allenfalls in der Sportschau oder der Premiere-Konferenz anschauen, halten diese Situation für völlig absurd. Ihnen kann gesagt werden, dass diejenigen, die sich die Schalke-Spiele dieser Saison angeschaut haben, durchaus Argumente aufführen können, die nicht zu wiederlegen sind.

Schalke zeigte in dieser Saison sehr wenige gute Spiele, eine Reihe durchschnittliche Spiele und eine ganze Menge grauenhafte Spiele. Die Spieleröffnung geht fast immer zu langsam von statten, die Offensive präsentiert sich uninspiriert, ideenlos. Schalke steht für gute Standardsituationen, was vor allem deshalb auffällt, weil Schalke in allen anderen offensiven Belangen so schwach ist; dass Schalke das Ding nicht reinkriegt, das wissen sogar Sportschau-Zuschauer.

Die Defensive funktioniert. Dort spielt Schalke konstant, wohl auch deshalb, weil konstant die selben Spieler ein konstantes System spielen. In der Offensive ist das völlig anders. Mirko Slomka müsste mittlerweile alle möglichen Kombinationen an Spielerzusammensetzungen durch haben, dazu variiert die Formation fast wöchentlich: Zwei zentrale Stürmer, Ein Stoßstürmer mit zwei Aussenstürmern, beide Varianten jeweils mit einem offensiven Mittelfeldspieler, mit drei Mittelfeldspielern auf einer Linie, mit spitzer oder flacher Raute, neuerdings auch mal mit einem hängenden Stürmer und ab und an sogar ohne nominellen zentralen offensiven Mittelfeldspieler. Nichts wirkt gekonnt, eingeübt, immer kommt es einem wie der nächste Test vor, und bislang scheint keine Variante derart überzeugt zu haben, dass sie längere Zeit bestand gehabt hätte.
Als in der Winterpause mit Zé Roberto ein offensiver Mittelfeldspieler und mit Albert Streit und Vicente Sanchez zwei Aussen verpflichtet wurden dachte ich – und ich denke es ging vielen Schalkern so – dass fortan mit Raute im Mittelfeld, zwei Aussen und einem Stoßstürmer gespielt werden würde. Aber das Gegenteil war der Fall: Fortan spielten Kuranyi und Asamoah zentral, Streit, Sanchez und Zé Roberto wurden so gut wie nie eingesetzt. Stattdessen bekam Peter Lövenkrands immerwieder Einsatzzeiten, obwohl er eine grauenvolle Saison spielt und nichtmal das Wasser trifft, wenn er in einen Teich fällt; und Kuranyi und Asamoah konnten sich ihrer Einsätze trotz äußerst durchschnittlicher Leistungen ebenfalls sicher sein. Da darf sich ein Schalke-Fans schon mal verwundert am Kopf kratzen, und da kann er sich sicher sein, dass hinschauen mehr Informationen liefert als bloßes betrachten der Tabelle.

Andererseits hat Schalke unter Trainer Mirko Slomka in der letzten Saison auch richtig guten Fußball gezeigt, es ist also nicht so, dass das unter ihm nicht ginge, oder dass er das partout nicht wolle. Mit Hilfe eines gesunden Varelas, eines damals noch starken Peter Lövenkrands’ und mit Lincoln spielte Schalke schnell, sehr variabel, verschoben sich während des Spiels Mittelfeldspieler zu Stürmern, war die nahezu gleiche Abwehr noch sicherer und konnte man die gleichen Stürmer treffen sehen. Auch wenn Schalke durch schlechte Leistungen in den Auswärtsspielen in Bochum und Dortmund die Meisterschaft eigenhändig, und somit verdient verlor, war Schalke mit Trainer Mirko Slomka doch am 30. Spieltag noch völlig verdient Tabellenführer.
Varela war das ganze Jahr noch nicht richtig fit, Lincoln ist weg, Lövenkrands ist nicht mehr der gleiche, wieso auch immer. Lincoln wurde nicht ersetzt, Hamit Altitop auch nicht, der immerhin im Schnitt mehr als eine Halbzeit einen Mittelfeldplatz ausfüllte. Stattdessen sollte es die Jugend machen, sollten sich Rakitic, Özil und Azaouagh die kreative Arbeit im Mittelfeld teilen. Aber Özil ist nun in Bremen, Azouagh in Bochum und der junge Rakitic kann Schalke nicht alleine auf seinen schmalen Schultern tragen. Slomka hat mit diesen Problemen zu arbeiten, muss das Beste draus machen. Und ist Tabellenzweiter.

Ich fand es gut, dass Andreas Müller gesagt hat, dass man sich nach der Saison die Situation anschauen will und dass man dann für oder gegen den Trainer entscheidet, je nachdem, wie man die Perspektive einschätzt. So sollte es laufen, kein Trainer sollte entlassen werden weil er ein oder zwei vermeintliche Schlüsselspiele nicht gewinnen konnte. Seit aber Andreas Müller auffallend häufig in Interviews betont, dass es auch sein könne, dass man den Trainer trotz eines zweiten Tabellenplatzes auswechselt, bin ich mir eigentlich sicher, dass die Entscheidung gegen Mirko Slomka bereits gefallen ist. Ändern könnten das wohl nur Schalke-Siege im Hurra-Fußball-Stil bei gleichzeitigem Einbruch der Bayern und eine demzufolge noch mal spannend werdende Meisterschaft.
Eben.

Also wird sich Schalke einen neuen Trainer suchen, der dann am besten tollen Offensivfußball spielen lässt, die Abwehr sicher aufstellt, ein harter Hund aber fair zu den Spielern ist und viel mit ihnen spricht, internationales Standing aufweist, zum Arbeiterclub Schalke 04 passt, neue Spieler integriert, Publikumslieblinge aufstellt, der Jugend eine Chance gibt, Technik lehrt, Toreschießen lehrt und in der Tabelle besser abschließt als Mirko Slomka.
Mirko Slomka dagegen wird flott einen neuen Job finden. Er ist erfolgreich. Er kann sich ausdrücken, auch wenn er ab und an schräge Erklärungen liefert lernt er doch ständig dazu und kann eher gut mit den Medien umgehen. Und er ist loyal, steckte selbst die größten Unverschämtheiten seines Präsidenten mit einem Lächeln und dem Hinweis weg, dass er sich nur um Dinge kümmere die er beeinflussen kann. Es gibt sicherlich immer Clubs, die so einen gebrauchen können.

Ich prophezeie mal, dass sich Schalke in den kommenden Jahren noch häufig an den erfolgreichen Herrn Slomka zurückerinnern wird. Und ich mich vermutlich auch.

Kommentare & Antworten

Lucio
da Lucio findet imma den richtigen Zeitpunkt zum abspiela
ch (Gast) - 10. August, 21:47
Na also: noch ein...
...alter Bekannter ;)
berka - 1. August, 13:04
Alte Bekannte
Schön erklärt, danke. Noch ein paar bekannte Namen...
berka - 1. August, 09:12
Notlagen?
fällt mir jetzt erst auf: habt Ihr die im Stadion etwa...
berka - 30. Juli, 14:00
Ich weiss schon warum...
Ich weiss schon warum ich im Stadion keine Getränke...
Jan! (Gast) - 30. Juli, 13:01
siehste
deswegen wird's wahrscheinlich exportiert
berka - 30. Juli, 08:50
Wir warten gespannt
...auf den ersten, der Veltin's schreibt.
Trainer Baade (Gast) - 29. Juli, 23:27
@ Stefan: Ja, bei Miller’s...
@ Stefan: Ja, bei Miller’s würde ich auch nichts dazu...
Herr Wieland - 29. Juli, 17:12

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Der Spielmacher

Stets ein wunderbarer Quell der Wirrnis ist der Begriff des Spielmachers oder gar der Spielmacher-Position. Der Mann mit der legendären Nummer 10 war einst Halbstürmer und wurde später ins Mittelfeld zurückgezogen, wo er aber mehr wurde als ein zentraler Mittelfeldspieler. Dieser Spieler in der Mitte des Feldes, ob vorgeschoben oder zurückgezogen, sollte von seinen Mitspielern häufiger angespielt werden und dann genialisch das Angriffsspiel bedienen. Das wurde noch mit der Phantasie kurzgeschlossen, ein solchermaßen kreativer Mensch könne nicht auch noch schwer arbeiten, weshalb man ihm einen Helfer, den sogenannten Wasserträger, beistellen müsse. Einen solche Spielmacherposition gibt es heute nicht mehr, trotzdem ist die Suche nach dem Spielmacher nicht beendet. Im Zweifelsfall wird der Kopf einer Mannschaft, wie Zinedine Zidane beim französischen Weltmeister 1998, einfach zum Spielmacher erklärt.
Biermann/Fuchs

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