Vielen Dank!
Da sitz ich heute in der Kneipe und gefühlte 200 Menschen lästern mich aus. Na klar, der doofe Deutsche gibt ja genug Angriffsfläche mit seinen Schalkern. Hat er wieder seine beschmierte Mütze auf oder nur sein Trikot an?
„Alle 20 Minuten die Barca KEIN Tor macht, zahl ich dir ein Bier ...“ sagt einer. Kein Problem. „Und wenn Schalke keins macht, zahl ich eins, Du Arsch!“ Natürlich auf Deutsch; ich will ja niemanden beleidigen.
Schalke legt los ... auffällig für die Neutralen, die nur darauf warten mich wieder anzählen zu können. Nach 10 Minuten kommt ohne Fragen das erste Bier.
Ma stai zito ... mi stanno su cazzo ... Aber bleib ruhig ... die gehen wirklich auf die Eier.
Meine Mannschaft spielt Barca in die Ecke.
Nach 12 Minuten ... „Stai ..... a dosso!“ ... „Du ..... dich an vor Glück!“
Manuel Neuer pariert sensationell gegen Xavi.
„Wie alt ist der?“
„21.“
„Du lügst!“
Noch mal zehn Minuten später bestelle ich das zweite Bier. „Das bezahlt der Juventu dort am Ende vom Tresen.“ Der Wirt schaut mich an, schaut zum anderen, lacht und gibt mir mein Bier. Der Zettel landet am Ende des Tresens.
Ich nehm’ ja nichts mehr wahr außer die 200 x 180 cm – doch auf einmal Unruhe aus der Ecke der Italiener: Elfmeter, de Rossi haut den Ball auf die Tribüne und plötzlich ... Roma interessiert niemanden mehr! „Wer ist denn der mit dem komischen Bart ... der Kleine in der Abwehr ... Wie lange könnt ihr den Torwart wohl noch halten?“
Das Spiel ist zunächst mal für mich gelaufen, ich muss erklären wer wir sind. Die kleinen Schalker machen den Champions League & UEFA-Cup verwöhnten Pizzaessern Spaß. Zwei Biere stehen vor mir, wenn man von dem angetrunkenen absieht. Man hört aus allen Ecken: „Buaah .... Ma come ... su cazzo ...“ Und ich hab Spaß in den Backen.
Minute 43, Yaya Touré. Der Ball prallt nach Flanke von Bojan irgendwie an Marcelo Bordon ab, Mladen Krstajic kann den Ball zwar noch von der Linie köpfen, jedoch genau vor die Füße von ... eben ... Yaya irgendwer. Und der netzt ein. Ein lautes Noooooooo aus hundert Kehlen ist die Folge, und mir schießen die Tränen in die Augen.
Pause. Ich nehme den ersten und vorerst letzen Zug von einer Zigarette nach vier Jahren. Alle stehen draußen, Raucher und Nichtraucher, in Fussballdiskussionen vertieft. „Hätte ich nicht gedacht ... Die spielen gut .... Du wirst sehen, am Ende 2:1 für euch!“ Ich bin stolz!
Das Spiel geht weiter, Schalke kann aber nicht an das Spiel vor der Pause anknüpfen. Wenn ich als ‚Unbeteiligter’ schon so einen Nackenschlag bekommen habe, wie geht es dem mit dem komischen Bart, dem Kleinen, dem Torhüter?
Klar, Barca kommt besser ins Spiel.
Mitte der zweiten Halbzeit kommt noch mal Hoffnung auf. Die Zuschauer schwenken weiße Taschentücher. Und ja, es stimmt: „Meine Schalker sind besser als die Katalanen.“ OK, es passiert nix mehr – aber wir waren nahe dran. Der Abpfiff besiegelt meine Niederlage. Aber war es auch eine?
Wir stehen draußen und alle bemitleiden mich.
„Ihr wart gut, eurer Spiel war besser, sensationell wie der Neuer gefischt hat. Hier, rauch erstmal eine.“
„Ich rauche nicht!“
„Was singt ihr denn so?“
„Ein Leben lang ...“
„Heißt?“
„Per tutto la vita, blu e bianco, per tutto la vita.“
„Und wie singt man das?“
Und dann haben sechs bekloppte Itaker und ein Beschmierter gesungen.
Danke Schalke.
(Frank wohnt in Tenero, einem kleinen Ort bei Locarno, im italienischen Sprachraum der Schweiz. Dort erlebte er, der Kraut, in seiner Eckkneipe das Spiel gegen Barcelona, inmitten seiner Itaker.)