Es lebe die Sportschau!
Nein, das Kartellamt ist nicht dazu da, das Fernsehprogramm zu bestimmen. Und die DFL wird sich was anderes einfallen lassen. Am Ende wird die Zentralvermarktung aufgeweicht werden. Jetzt noch nicht, aber in Zukunft wird das kommen. Man wird sich nicht auf Dauer zu solchen Kuhhandel mit dem Kartellamt nötigen lassen, nur um die Liga zentral vermarkten zu können. Aber das ist noch der dunkle Horizont.
Fürs erste sieht es zumindest so aus, als würde das gesellschaftliche Ereignis Fußball-Bundesliga erhalten bleiben. Zu hochgestochen formuliert? Nein, ich denke nicht. Ich denke, dass der Fußball im GEZ- oder werbefinanziertem Fernsehen eminent wichtig ist.
‚Wer braucht denn eigentlich noch die Sportschau vor 20 Uhr?’ fragt Matthias in seinem Blog. Ich gebe zu, ich gehöre nicht dazu. Ich kann mich nicht genau daran erinnern, wann ich sie das letzte mal gesehen habe. Ich schaue samstags Schalke. Ob im Stadion oder in einer Kneipe, jedenfalls immer 90 Minuten. Zu mehr komme ich samstags nicht, die Zusammenfassungen der anderen Spiel schaue ich in der Regel erst am nächsten Tag.
Aber um mich geht’s nicht. Auch nicht um Matthias oder um andere Freaks, denen der Bundesligafußball wichtig genug ist, dass sie Gigabyte Text dazu verfassen, für Auswärtsspiele durch Europa fliegen oder vor Vorverkaufsstellen den Propankocher anschmeißen.
Es geht um den Arbeitskollegen. Den im Nachbarbüro, der sich auch Fußballfan nennt, dem die Zusammenfassung am Samstagabend und die BamS am nächsten Morgen aber genügt. Es geht um den Handwerker, der jeden morgen im Bus den Sportteil der Zeitung ließt und der sich damit, und mit der Sportschau umfassend informiert fühlt. Um die Millionen dieser Leute, die sich dazugehörig fühlen, die auch den ganzen Quatsch kaufen für den der Fußball wirbt, die sich auch freuen wenn ihr Verein gewinnt, die aber den Samstag mit der Familie verbringen.
Ich tue mich schwer etwas zu Schalke zu sagen, wenn ich mal nicht die ganzen 90 Minuten sehen kann. Da zahle ich lieber einen Euro an Schalke-TV, setze mich schweigend vor den Rechner und schaue das Spiel nach. Aber für Fußballdeutschland zähle ich mit dieser Einstellung sicher zu den Bekloppten, denn Fußballdeutschland ist nicht so.
Der Arbeitskollege und der Handwerker wissen jedenfalls Bescheid. Über alle Spiele! Und was wäre ein Montagmorgen ohne eine Bürodiskussion zur Bundesliga? Ich will mit denen darüber reden, will, dass auch die eine Meinung haben. Ich will nicht, dass es mit der Bundesliga so weit kommt, wie es mit der Champions League war, als die interessanten Spiele nur bei Premiere kamen. Da wurde über nichts gesprochen, für den Arbeitskollegen fand die Champions League gar nicht statt.
Ich hoffe nach wie vor, dass die DFL irgendwann versteht, welch großes Glück es für sie ist, dass der Bundesligafußball in diesem Land tatsächlich als Allgemeingut verstanden wird, fast jeden irgendwie berührt.
Alleine ich glaube nicht dran.
Na ja
"Aber um mich geht’s nicht.(...) Es geht um den Arbeitskollegen.(...) Und was wäre ein Montagmorgen ohne eine Bürodiskussion zur Bundesliga?"
Nicht ganz richtig. Dein Arbeitskollege könnte auch die Highlights am späten Abend verfolgen und dann am Montag mitreden. Wenn er über die Sonntagsspiele was sagen will, muss er das sowieso jetzt schon. Was mich auch zu meinem größten Kritikpunkt der pro-Kartellamt Argumentierer bringt. Es wird jetzt so dargestellt, als hätte uns das Kartellamt das Allgemeingut Fussball vor dem Verschwinden im Pay-TV bewahrt. Das stimmt nicht.
Die DFL hätte zwei Szenarien ausgeschrieben. Einmal mit Samstags Highlights vor 20h und einmal ab 22h. Wichtig und immer wieder unterschlagen ist aber, dass im 22h Szenario die Sonntagszusammenfassung auf 18.45h vorverlegt gewesen wäre. Dazu gäbe es 17 anstatt 2 Livespiele im Free-TV. Die Free-TV/Pay-TV Ratio hält sich da meines Erachtens in beiden Szenarien die Waage und für beide hätte ja auch geboten werden dürfen.
Da sah ich für das Kartellamt keinen Handlungsbedarf. Da hätten sie mal eher das vorproduzieren der Spiele durch Kirchs Sirius monieren sollen. Wobei sie sich indirekt Kirch ja jetzt wohl auch entledigt haben. Was zumindest sein Gutes hat.
Klar könnte er. Aber würde er?
Wie hoch sind die Einschaltquoten der Sportschau, wie hoch die des aktuellen Sportstudios? ‚Später’, das ist die Zeit in der die Gattin Rosamunde Pilcher oder ‚Wetten dass’ sehen will. Das Vorabendprogramm lässt sich da schon leichter aufteilen.
Die Live-Spiele sind natürlich grundsätzlich attraktiv, auch für Typen wie mich. Allerdings muss ich sagen, dass mein Bedarf dahingehend auch schon so langsam an seine Grenzen stößt.
Ich denke einfach, dass es 2 verschiedene paar Schuhe sind. Es ist möglich, nahezu jeden Tag irgendwo Fußball zu schauen. Aber diese „leichte Fußballunterhaltung“ im Vorabendprogramm am Wochenende erreicht eben (auch) eine andere (durchaus kaufkräftige) Zielgruppe.
Ich stimme meinem Vorredner zu
Dabei wird immer so getan, als habe es die umfassende Berichterstattung im Free-TV schon immer gegeben und sie sei deshalb ein Kulturgut. Stimmt aber nicht. Ich bin zwar "erst" 33, aber ich erinnere mich noch sehr lebhaft an Sportschauen, die mit den Worten eröffnet wurden: "Gunnabend allerseits zur Sportschau. Heute berichten wir in bewegten Bildern über das Spiel 1. FC Köln gegen Arminia Bielefeld, Bayern München gegen den 1. FC Saarbrücken sowie Fortuna Düsseldorf gegen Eintracht Braunschweig. Über den Rest der Spiele werden wir Sie wie gewohnt umfassend mit Informationstafeln unterrichten. Oh, ich höre gerade, dass der Motorradkurier aus Düsseldorf im Stau steht. Der Bericht muss deshalb leider entfallen. Düsseldorf hat übrigens gewonnen. Das genaue Ergebnis und die Torschützen reichen wir Ihnen in der Tagesschau nach."
Komischerweise hat jeder schon einmal von jemanden gehört, der ohne Sportschau vor 20 Uhr nicht leben könnte. Doch wenn man dann einmal konkret im Bekanntenkreis herumfragt, dann stellt sich heraus, dass (zumindest in meinem sehr ausgedehnten Freundeskreis) niemand die Sportschau - sinnbildlich für Free-TV vor 20 Uhr - wirklich "nutzt". Stattdessen ist bei fast allen "Bundesliga Pur" im DSF das Hauptversorgungsorgan geworden - und das kommt immerhin zur Unzeit am Sonntagvormittag.
Und nochmal: Es geht nicht darum, Free-TV-Fußball komplett abzuschaffen. Aber ich finde es ist durchaus legitim, über den Zeitpunkt der AusstrahlungWzu diskutieren ohne das reflexartig das Argument kommt "War schon immer so, muss immer so bleiben, und überhaupt: Was sollen denn bloß die armen Kinder machen?"
@Matthias
Also das Ergebnis gab's immer (vorausgesetzt, das Spiel war zu Ende). Und Torschützen gab's auch.
Könnte er. Aber er würde nicht.
Zentralvermakrtung ist im Grundsatz unuzlässig und wird nur toleriert, wenn der Verbraucher einen Vorteil davon hat. Den sieht das Amt (eben im Verweis auf obige Zahlen) nur bei einer Free-TV-berichterstattung vor 18:00 Uhr gesichert.
Ergo gibt es zwei Möglichkeiten: entweder Zentralvermakrtung mit Free-TV-Highlights vor 20:00 Uhr oder keine Zentralvermarktung. So einfach ist die Welt. Aber "der Fußball tickt ja anders" (K.H. Rummenigge)