Die Idee vom Neuaufbau
Nun entscheidet die Lichtgestalt in München nicht mehr allzu viel. Aber auch Rummenigge, der etwas mehr zu sagen hat, faselte unlängst ja von einem 30 Millionen Einkauf, bevor der Hoeneß Uli, im Prinzip der alleinige Bestimmer beim Rekordmeister, auch diesen Fantasien Einhalt gebot und erklärte, dass die 30 Millionen durchaus für mehrere Spieler ausgegeben werden könnten; was der FC Bayern ja bereits tat, siehe oben.
Da sich die Suche nach dem überragenden Heilsbringer, wen wunderts, schwierig gestaltet, wird immer öfter auch das Gegenteil des großen Geldausgebens propagiert. Es solle mal ein Neuanfang gestartet, mit jungen Spielern eine - oder besser die - große Mannschaft aufgebaut werden.
Beispielsweise Christian Spiller, vom Blog des Magazins RUND: Er spricht sich in seinem aktuellen Beitrag gegen eine Weiterverpflichtung Hitzfelds aus, weil er das Ergebnis dessen Arbeit für ein "Altherren-System" hält und stellt die Frage: "Wagt man den Umbruch, riskiert ein paar dünne Jahre, aber lässt von einem Trainer mit Zukunft eines der besten Teams Europas bauen?".
Sogar Hoeneß hatte vor Saisonbeginn solche Anwandlungen, sprach davon, mal auf die Jugend zu setzten, selbst wenn man dann "eben mal nicht Deutscher Meister" werden würde. Gefühlte Minuten später haute er die zehneinehalb Millionen für van Buyten raus ...
Natürlich sind solche Gedankengänge sympathisch. "Junge Mannschaft" klingt immer nach schönem Fußball. "Preiswert" steckt da auch mit drin, keine "Abzocker", keine "Millionarios". Und wenn das ganze dann zum großen Ziel, eines der besten Teams Europas zu werden führt, dann kann doch eigentlich nichts dagegnen sprechen!
Ausser das reale Leben vielleicht.
Manchester United hat mal eine junge Mannschaft aufgebaut. 11 Freunde berichtet gerade in der aktuellen Printausgabe über die "Klasse von 1992", die das Grundgerüst für die spätere CL-Sieger-Mannschaft stellte. Der PSV Eindhoven fängt auch alle paar Jahre wieder damit an, eine Mannschaft aufzubauen; keinesfalls freiwillig, der Kopf der letzten guten Mannschaft spielt aktuell in München.
Aber erstens sind wir nicht mehr in den 90ern und zweitens wird sich der FC Bayern nicht Eindhoven als Vorbild nehmen wollen. In der aktuellen Dekade ergeht es dem FC Bayern auf dem europäischen Markt gegenüber den durch Superreiche geführten englischen Clubs und den im rechtsfreien Raum agierenden spanischen Vereinen so, wie es in der Bundesliga der Mehrheit der Vereine gegenüber dem FC Bayern ergeht. Wenn einer wie Hargreaves eine solch gute WM spielt, wird an ihm gezerrt, und es wird nur noch bis zum Sommer dauern, bis die Bayern nachgeben werden. Ein Wunder und ein Glücksfall für München, dass die Großen bei Phillip Lahm während der WM nicht so genau hingesehen haben.
Weiter stellt sich die Frage, was die Bayern durch einen solchen Neuaufbau erreichen wollten. München wird im Schnitt öfter als in jedem zweiten Jahr Deutscher Meister. Seit 1997 nicht mehr nur der Meister an der Champions League teilnehmen darf, waren die Bayern immer dabei. In der Regel erreichen sie auch die nächste Runde.
Dies ist eine Basis, die ganz wenige Mannschaften in Europa haben. Und nun soll München einige Jahre auf diese Basis verzichten, um dann eventuell mal den großen Coup zu landen? Mir erschliesst sich diese Logik nicht.
München erarbeitet sich fast jedes Jahr die Chance. Am Ende entscheiden in der KO Runde recht kleine Unterschiede, die es zu beeinflussen gilt, für die es aber nie Garantien geben wird; egal wie lange man zuvor Dürre erdulden würde. Hoeneß macht sicher auch Fehler, und einen solch starken Spieler wie Ballack nicht zu ersetzten war einer (jenseits aller "Spielmacher- oder Chefrollen-Geschichten"). Aber was die Transferpolitik generell angeht, macht er verdammt viel richtig.
Der unterschätzte Herr Lahm
"Ein Wunder und ein Glücksfall für München, dass die Großen bei Phillip Lahm während der WM nicht so genau hingesehen haben."
Genau richtig!
Die Frage, die man den Bayern stellen muss, ist doch ganz schlicht: worüber beklagen die sich eigentlich ständig?
a) Vereinszeitung brauchen sie nicht, bekommen sie schon umsonst. Nennt sich BILD. Das spart Geld.
b) Sie spielen seit Anbeginn der CL immer mit (wenn ich es richtig weiß). Somit sind diese ca. 30 Mio € jedes Jahr garantiert. Kein anderer Verein in Deutschland hat annähernd dieses Potential.
c) Die 'Jugendarbeit' ist doch hervorragend, welcher andere Verein bringt Hochkaräter wie Schweinsteiger, Lahm (weiß vielleicht nicht jeder), Hargreaves (der ausländische Name täuscht), Rensing (versteckt sich leider hinter Kahn) hervor. Die Liste ist nicht vollständig.
d) Das Vereinstrikot wird in spanischen Kaufhäusern zum Verkauf neben dem von Chelsea und Real angeboten. Habe ich selber überprüft.
e) Sie werden in jedem Stadion, ausser dem eigenen, gehasst. Das gibt den Bayernspielern erst den richtigen Kick. Das garantiert Auswärtssiege (vgl. Sommermärchen, Interview mit Hr. Schweinsteiger).
Also: was wollen die eigentlich? Versteht das noch jemand?
Vor der Saison haben sie groß rumgetönt, dass sie diesmal gar nicht Meister werden wollen. Jetzt holen sie also dieses Jahr mal "nur" die CL - eine im Verfall befindliche Mannschaft, wie seinerzeit die gelbschwarze Borussia. Dann kann endlich Kahn zurücktreten und bei Bayern die B-Jugend übernehmen.
Alles im Lot. Oder?
Eben
Noch zu "b)": Seit der Saison 92/93 heisst der Wettbewerb "UEFA Champions League". Als Dortmund 1997 den Pott gewann, war es das letzte mal, dass nur die Landesmeister teilnehmen durften. Bis dahin war München nur einmal als Meister dabei.
Seit auch der Bundesligazweite, bzw. -dritte für die CL qualifiziert ist, ist München immer dabei gewesen und zog nur einmal (02/03) nicht in die nächste Runde ein.